Verjährung von Urlaubsanspruch (OGH 8 ObA 23/23z)

Erstellt von Mag. Bianca Holzer |
Arbeitsrecht

1. Sachverhalt

Ein Dienstnehmer war als Wildhüter und später auch als Gutsverwalter bei einem Dienstgeber für 7 Tage die Woche beschäftigt. Der Dienstnehmer hatte als einziger die notwendige Ausbildung und Erfahrung zur Betreuung des Wildes. Das Dienstverhältnis wurde durch Dienstgeberkündigung zum 31.12.2020 beendet.

Während seines Dienstverhältnisses verbrauchte der Dienstnehmer in den Jahren 2003-2020 lediglich 121 Urlaubstage. Er wurde vom Dienstgeber nicht aufgefordert, seinen Urlaub zu verbrauchen und auch nicht auf die drohende Verjährung hingewiesen. Ihm wurde nur ein Teil der Urlaubsersatzleistung verspätet ausbezahlt.

Der Dienstnehmer klagte auf Verzugszinsen aus der geleisteten Urlaubsersatzleistung sowie auf eine weitere Urlaubsersatzleistung. Die Dienstgeber wendete Verjährung des nicht als Urlaubsersatzleistung ausbezahlten Urlaubsanspruches ein.

2. Rechtsansicht des OGH (8 ObA 23/23z) 

Nach Art 31 Abs 2 GRC (Grundrechtecharta) hat jeder Dienstnehmer das Recht auf bezahlten Jahresurlaub. Nach Art 7 Abs 1 der Arbeitszeit-Richtlinie (RL 2003/88/EG) gebührt dem Dienstnehmer ein bezahlter Mindestjahresurlaub von 4 Wochen. 

Das österreichische Urlaubsgesetz (UrlG) sieht gem § 2 Abs 1 UrlG einen jährlichen Urlaubsanspruch von zumindest 30 Werktagen vor. Gem § 4 Abs 5 UrlG verjährt dieser Urlaubsanspruch nach Ablauf von 2 Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Die Übertragung von nicht konsumierten Urlaubsansprüchen auf die folgenden Urlaubsjahre ist nur so lange möglich, wie sie nicht verjährt sind. Für den tatsächlichen Verbrauch des Urlaubs stehen damit insgesamt 3 Jahre zur Verfügung.

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses gebührt dem Dienstnehmer nach § 10 Abs 3 UrlG für den nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren eine Ersatzleistung in der Höhe des noch ausständigen Urlaubsentgelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist.

Laut dem EuGH (C-684/16; C-619/16; C-120/21) und dem OGH (9 ObA 88/20m; 8 ObA 23/23z) trifft den Dienstgeber eine „Urlaubssorgepflicht“. Dh, der Dienstgeber muss den Dienstnehmer auffordern, seinen Urlaub zu verbrauchen oder ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass sein Urlaub, wenn er diesen nicht nimmt, am Ende des zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird. Der Dienstnehmer muss damit in die tatsächliche Lage versetzt werden, seinen bezahlten Jahresurlaub nehmen zu können. Der Dienstgeber könnte sich sonst seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten gegenüber dem Dienstnehmer entziehen und wäre durch den Urlaubsverfall auch bereichert. 

Tut dies der Dienstgeber nicht, verjährt der Urlaubsanspruch des Dienstnehmers nicht. Dh der Urlaubsanspruch des Dienstnehmers kann nicht verjähren, wenn der Dienstgeber seiner Aufforderungs- und Hinweispflicht gegenüber dem Dienstnehmer nicht nachkommt.

Im konkreten Fall hatte der Dienstgeber den Dienstnehmer nicht aufgefordert, seinen Urlaub zu verbrauchen und ihn auch nicht auf die drohende Verjährung hingewiesen. Damit hatte er gegen die Verpflichtung verstoßen, dafür zu sorgen, dass der Dienstnehmer seinen Jahresurlaub tatsächlich in Anspruch nimmt, was einer Verjährung des Urlaubsanspruchs entgegenstand. Der Dienstnehmer hatte Anspruch auf die entsprechende Urlaubsersatzleistung.

3. Fazit

Der Dienstgeber hat darauf zu achten, dass er seine Dienstnehmer auffordert, deren Urlaube zu verbrauchen, und sie klar und rechtzeitig auf die drohende Verjährung ihrer Urlaube zum Ende des Übertragungszeitraums hinzuweisen. Andernfalls verjähren die Urlaubsansprüche der Dienstnehmer nicht und hat der Dienstgeber bei allfälliger Beendigung des Dienstverhältnisses eine entsprechende Urlaubsersatzleistung mit der Endabrechnung auszubezahlen.