1. Sachverhalt
In der Entscheidung 4 Ob 207/22b urteilte der OGH über eine von der Arbeiterkammer als Verbandsklage geführte Unterlassungsklage gegen eine Bank. Die Bank stellte Prepaid Gutscheinkarten (Wertkarten) für bestimmte Einkaufszentren in Wien, Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich zur Verfügung, die in diesen Einkaufszentren als Zahlungsmittel verwendet werden können. Dafür verwendete sie AGB, in denen sie die Nutzung der Gutscheinkarten durch bestimmte Klauseln einschränkte. Der OGH hatte folgende Klauseln zu prüfen:
Klausel 1:
Die Wertkarte ist ab dem Ausstellungstag 12 Monate gültig und wird nicht automatisch erneuert. Die Gültigkeitsdauer ist auf der Wertkarte angegeben. [...]
Das Guthaben auf der Wertkarte kann bei der Bank zur Gänze zurückgetauscht werden. Der Rücktausch des Guthabens erfolgt innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertkarte unentgeltlich. Wird der Rücktausch vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertkarte oder nach mehr als einem Jahr nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertkarte verlangt, hat der Karteninhaber für den Rücktausch ein Entgelt gemäß Punkt 10.2. zu zahlen. [...]
Für die Verwendung der Wertkarte werden folgende Entgelte in Rechnung gestellt:
Für den Rücktausch von Guthaben: 5% des rückgetauschten Betrags, mind. 2,00 EUR, max. 5,00 EUR, wenn der Karteninhaber
- den Rücktausch vor dem Ende der Gültigkeit der Wertkarte verlangt oder
- den Rücktausch nach mehr als einem Jahr nach Ende der Gültigkeit der Wertkarte (Punkt 2) verlangt.
Klausel 2:
Die Wertkarte ist ab dem Ausstellungstag 12 Monate gültig und wird nicht automatisch erneuert. Die Gültigkeitsdauer ist auf der Wertkarte angegeben. [...]
Für das Bereithalten eines nach dem Ende der Gültigkeit der Wertkarte (Punkt 2) noch vorhandenen Guthabens wird ein monatliches Bereithaltungsentgelt verrechnet: monatlich 2,00 EUR.
Das Entgelt wird vom auf der Wertkarte verfügbaren Guthabens abgezogen, bis das Guthaben aufgebraucht ist. [...]
Die Bank ist berechtigt, das Entgelt für jeden begonnen Monat ab dem Ende der Gültigkeitsdauer der Wertkarte zu verrechnen, wobei die Bank für die erste 3 Monate ab Ende der Gültigkeitsdauer das Entgelt nicht verrechnen wird.
2. Vertretene Ansichten
- Nach Ansicht der Arbeiterkammer verstießen diese AGB-Klauseln gegen die Inhaltskontrolle gem § 879 Abs 3 ABGB sowie gegen § 18 und § 19 E-Geld-Gesetz.
- Die beiden Vorinstanzen erteilten der Arbeiterkammer vollen Zuspruch.
- Nach Ansicht der beklagten Bank legen die Klauseln über Umtausch und Bereithaltung des Kartenguthabens Hauptleistungen fest und sind somit der Inhaltkontrolle des § 879 Abs 3 ABGB entzogen, da diese nur für Nebenleistungen gilt.
3. Rechtliche Beurteilung des OGH (OGH 4 Ob 07/22b)
Der OGH teilte die Ansicht der beklagten Bank nicht, da die Ausnahme bei Hauptpflichten sehr eng zu verstehen sei. Demnach ist nicht automatisch jede eine Hauptpflicht festlegende Klausel der Inhaltskontrolle entzogen, insbesondere nicht solche, die die eigentliche Leistung einschränken, verändern oder aushöhlen.
Die in den Klauseln geregelten Entgelte für Rücktausch und Bereithalten des Kartenguthabens werden isoliert von der Hauptleistung wahrgenommen, weshalb sie als Nebenpflichten anzusehen sind. Somit sind die Klauseln der Inhaltskontrolle zugänglich und, da aufgrund dieser Klauseln innerhalb weniger Jahre das Guthaben auf der Karte gänzlich aufgezehrt werden kann, auch gröblich benachteiligend für Konsumenten.
Weiters verstoßen die Klauseln gegen § 19 sowie § 18 E-GeldG. Nach § 19 sind Entgelte für den Rücktausch von Guthaben in Geld nur dann zulässig, wenn sie verhältnismäßig sind und in angemessenem Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Kosten stehen. Die in den AGB vereinbarten Gebühren sind mit dieser doppelten Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar. Gem § 18 E-GeldG ist dem Inhaber von E-Geld, also dem Karteninhaber, auf Verlangen der Wert des Guthabens auf der Karte jederzeit zum Nennwert auszubezahlen. Aufgrund des schleichenden Verfalls des Betrags wegen der Bereithaltungsgebühr bei Nichtbenützung nach einem Jahr hat die Bank auch gegen diese Bestimmung verstoßen.
Insgesamt hat der OGH die Revision der Bank zurückgewiesen und dem Urteil des Berufungsgerichts Recht gegeben. Auf Antrag der Arbeiterkammer wurde das Urteil auch veröffentlicht.
4. Fazit
Bestimmungen in AGB von E-Geld-Emittenten, die zu einem schleichenden Verfall des Betrags/Guthabens auf der Gutscheinkarte/Wertkarte führen, sind unzulässig, ebenso wie unverhältnismäßige Entgelte für den Rücktausch von Guthaben in Geld. Diese bestehen die AGB-Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB nicht, sind gröblich benachteiligend und mit dem E-GeldG nicht konform.