1. Sachverhalt
Ein Flugrettungsbetreiber führte nach einem Verkehrsunfall zwei medizinisch notwendige Flugrettungstransporte durch. Er stellte der verunfallten Person (Patient) die Transportkosten abzüglich einer von der zuständigen Sozialversicherung erhaltenen Zahlung in Rechnung. Das Alleinverschulden am Verkehrsunfall traf den Unfallsgegner des Patienten.
Zwischen dem Flugrettungsbetreiber, anderen Flugrettungsbetreibern sowie dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger besteht seit Jänner 2020 eine Vereinbarung zur Direktverrechnung (Direktverrechnungsvereinbarung). Darin ist ua die Übernahme des Kostenersatzes durch den Sozialversicherungsträger und die Rechnungslegung an den transportierten Patienten geregelt.
Der verunfallte Patient klagte den KFZ-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf Schadenersatz. Dagegen wendete der beklagte KFZ-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners ein, dass ein allfälliger Schadensersatzanspruch auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei, der einen Teil der Kosten getragen habe. Zudem habe der Flugrettungsbetreiber in der Direktverrechnungsvereinbarung auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche aus dem Flugrettungstransport verzichtet.
2. Rechtsansicht der Vorinstanzen
Das Erstgericht gab der Klage statt. Der nicht vom Sozialversicherungsträger übernommene Betrag sei vom transportierten Patienten zu tragen. Krankentransportkosten seien Heilungskosten gem § 1325 ABGB. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Direktverrechnungsvereinbarung regle einen Kostenersatz und sehe keine Sachleistungsverpflichtung des Sozialversicherungsträgers vor. Der transportierte Patient bleibe Auftraggeber des Transports und gehe der Schadensersatzanspruch nur in Höhe der Kostenerstattungspflicht auf den Sozialversicherungsträger gem § 332 ASVG über. Den Restschaden könne der verunfallte, transportierte Patient gegenüber den Schädiger (= Unfallgegner) geltend machen. Die Leistung des Flugrettungsbetreibers solle nicht dem Schädiger zugutekommen.
3. Rechtsansicht des OGH (2 Ob 145/22w)
Der OGH führt aus, dass Krankentransportkosten Teil der vom Sozialversicherungsträger zu gewährenden ärztlichen Hilfe sind. Sie sind Annexleistung zur Krankenbehandlung. Krankentransportkosten sind Heilungskosten gem § 1325 ABGB. Ersatzberechtigt ist derjenige, der sie getragen hat.
Für die Legalzession nach § 332 Abs 1 ASVG ist maßgebend, ob die durchgeführte Flugrettung eine vom Sozialversicherungsträger gewährte Sachleistung oder eine bloße Kostenerstattung darstellt. Gemäß § 332 Abs 1 ASVG geht der Anspruch des Verletzten (= Patient) gegen den Schädiger auf den Sozialversicherungsträger über, wenn dieser an den Verletzten Leistungen zu erbringen hat (= Legalzession).
Im konkreten Fall handelte es sich um keine Sachleistung des Sozialversicherungsträgers, sondern um eine bloße Kostenerstattung. Daher bleibt der nicht vom Sozialversicherungsträger übernommene Restbetrag beim verletzten, transportierten Patienten (Schadenersatzanspruch). Der Patient kann diesen direkt vom Schädiger einklagen. Der Schadensersatzanspruch geht nur im Umfang der Kostenerstattung durch den Sozialversicherungsträger auf diesen über.
Zudem kann nach Ansicht des OGH aus der Direktverrechnungsvereinbarung kein Verzicht des Flugrettungsbetreibers auf die Geltendmachung der Flugrettungskosten abgeleitet werden, wenn ein Anspruch des transportierten Patienten gegenüber einem privaten Versicherer oder einem Dritten besteht.
Die Regelung in der Direktverrechnungsvereinbarung, die den Flugrettungsbetreiber berechtigt, den Restbetrag (= Rechnungsbetrag abzüglich des von der Sozialversicherung geleisteten Teilbetrags) vom privaten Versicherer (und nicht vom Patienten) zu verlangen, begründet auch keinen Vertrag zu Lasten Dritter (nämlich hier: KFZ-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners). Dem beklagten KFZ-Haftpflichtversicherer wird keine, von ihm nicht ohnehin nach den schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu ersetzende Leistung aufgebürdet.