Newsletter 02/2021 - Unger Rechtsanwälte
1. Das Homeoffice-Gesetz – Stand 14.07.2021
Mit der COVID-19-Krise hat das berufliche Arbeiten im Homeoffice stark zugenommen. Die berufliche und private Lebensrealität vieler Erwerbstätiger hat sich verändert und die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft wurde durch COVD-19 beschleunigt. Der Gesetzgeber reagiert auf diese Entwicklungen. Das Maßnahmenpaket ist mit 01.04.2021 in Kraft getreten.
Die steuerrechtlichen Regelungen wurden durch einen Abänderungsantrag im Nationalrat in das 2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz übernommen, um ein früheres Inkrafttreten (25.02.2021) zu ermöglichen. Die steuerrechtlichen Regelungen sind bis 2023 befristet. Dementsprechend enthält das Homeoffice Maßnahmengesetz nur die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen.
2. Änderungen im Arbeitsrecht
2.1. Im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) wurde ein neuer § 2h AVRAG eingefügt.
2.1.1. Definition Homeoffice - § 2h Abs 1 AVRAG
„Arbeit im Homeoffice liegt vor, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer Arbeitsleistungen in der Wohnung erbringt“. Davon sollen auch eine Wohnung in einem Nebenwohnsitz oder die Wohnung eines nahen Angehörigen oder Lebensgefährten erfasst sein. Homeoffice kann dabei die Erbringung der Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik (PC) sein, aber auch mit anderen Mitteln im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (zB die Bearbeitung von Papierunterlagen).
2.1.2. Einzelvereinbarung notwendig - § 2h Abs 2 AVRAG
Arbeit im Homeoffice ist zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber schriftlich zu vereinbaren, da die Verlagerung des Ortes der Erbringung der Arbeitsleistung regelmäßig eine Abweichung von der bisherigen arbeitsvertragsrechtlichen Vereinbarung ist. Homeoffice kann nicht vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden.
Der Arbeitnehmer hat aber auch keinen Rechtsanspruch auf Homeoffice. Homeoffice soll freiwillig und im Einvernehmen zwischen den Arbeitsvertragspartnern festgelegt und gestaltet werden.
Hinweis: Das Fehlen der Schriftlichkeit führt laut Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu keiner Nichtigkeit der Vereinbarung. Da allerdings Schriftlichkeit verlangt wird, sollte dieses Formerfordernis eingehalten werden, da auch nicht vorsehbar ist, ob die Gerichte den Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen folgt. |
2.1.3. Kündigung von Homeoffice - § 2h Abs 4 AVRAG
Die Vereinbarung kann von einer Arbeitsvertragspartei bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Letzten eines Kalendermonats gelöst werden. Ein wichtiger Grund kann die wesentliche Veränderung der betrieblichen Erfordernisse oder wesentliche Veränderungen der Wohnsituation des Arbeitnehmers sein.
Die Homeoffice-Vereinbarung kann von jeder vertragsschließenden Partei unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Letzten des Kalendermonats gekündigt werden. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit wird im Gesetz nicht explizit geregelt, allerdings kann in der Vereinbarung nach § 2h Abs 4 AVRAG Befristungen und Kündigungsregeln beinhaltet werden. Ich empfehle daher eine Homeoffice-Vereinbarung auf bestimmte Dauer (zB 1 Jahr) abzuschließen und diesen bei Bedarf zu verlängern.
Ob die Kündigungsfrist auf vor dem 01.04.2021 abgeschlossenen Homeoffice-Vereinbarungen anzuwenden ist, geht aus den Erläuternden Bemerkungen nicht hervor. Es ist davon auszugehen, dass die neuen Regelungen auch auf die vor dem 01.04.2021 vereinbarten Homeoffice Vereinbarungen anzuwenden sind.
2.1.4. Arbeitsmittel - § 2h Abs 3 AVRAG
Der Arbeitgeber hat die für das regelmäßige Arbeiten im Homeoffice erforderlichen digitalen Arbeitsmittel (zB IT-Hardware und Datenverbindung) bereitzustellen. Davon kann durch Einzelvereinbarung und Betriebsvereinbarung (BV) abgewichen werden, wenn der Arbeitgeber die angemessenen und erforderlichen Kosten, für die vom Arbeitnehmer zur Verfügung gestellten digitalen Arbeitsmittel trägt. Die Kosten können auch pauschaliert abgegolten werden.
Hinweis: Die Verpflichtung zur Bereitstellung der Arbeitsmittel besteht dann nicht, wenn die Ausübung von Homeoffice lediglich einmalig („Eintagsfliege“) erfolgt, ohne dass weitere Einsätze im Homeoffice beabsichtigt wären. |
2.2. Betriebsvereinbarung für Rahmenbedingungen - § 97 Abs 1 Z 7 ArbVG
2.2.1. Bislang gab es im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) keinen Tatbestand zum Thema „Homeoffice“.
2.2.2. Nunmehr kann die Festlegung von Rahmenbedingungen für Arbeit im Homeoffice durch Betriebsvereinbarung getroffen werden (§ 97 Abs 1 Z 7 ArbVG), so es im Betrieb einen Betriebsrat gibt. Mit dieser ist eine Regelung von Homeoffice auf betrieblicher Ebene möglich. Umfasst sind auch Aspekte, die sonst unter sog freiwillige Betriebsvereinbarungen fallen, wie die Regelung des (pauschalen) Kostenersatzes.
Unberührt bleiben allfällige Betriebsvereinbarungen gemäß § 96 oder § 96a ArbVG. Auch bei Homeoffice ist für Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich. Wird durch Homeoffice ein System zur automationsunterstützten Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers iSd § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG eingeführt, so bedarf dies der ersetzbaren Zustimmung des Betriebsrates.
2.2.3. Die Betriebsvereinbarung über Homeoffice soll die Rahmenbedingungen auf betrieblicher Ebene festlegen und eine Grundlage für die – jedenfalls notwendige – Einzelvereinbarung gemäß § 2h AVRAG bilden.
3. Änderungen im Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG)
Wird dem Arbeitgeber durch im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitnehmer lebende Personen oder durch ein im Haushalt lebendes Tier im Zuge von Arbeiten im Homeoffice ein Schaden zugefügt, so sind die Regeln des DHG anwendbar (§ 2 Abs 4 DHG).
Damit soll sichergestellt werden, dass die Regelungen des DHG auch in Fällen der Zufügung von Schäden an digitalen Arbeitsmitteln oder abgespeicherten Arbeitsergebnissen (zB. Bauplänen) durch Angehörige oder gar Haustiere gelten. Diese Fälle sind so zu behandeln, als wäre der Arbeitnehmer Schadensverursacher.
4. Änderungen im Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG)
Die Organe der Arbeitsinspektion sind zur Durchführung ihrer Aufgaben nicht berechtigt, private Wohnungen von Arbeitnehmern im Homeoffice ohne deren Zustimmung zu betreten (Art 4 Abs 10 ArbIG).
Ein Betreten mit Zustimmung des Arbeitnehmers ist zulässig.
Eine Betretung gegen den Willen der im Homeoffice tätigen Beschäftigten widerspricht den verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten der in den Privathaushalten lebenden Personen (Recht der Achtung des Privat- und Familienlebens und die Unverletzlichkeit des Hausrechts).
5. Änderungen im Allgemeinen Sozialversicherungsrecht (ASVG)
5.1. Änderungen im Beitragsrecht - § 49 Abs 3 und § 750 ASVG
Mit Wirkung ab 01.01.2021 sollen steuerrechtliche Sonderregelungen rückwirkend gelten (siehe dazu ausführlich unter Punkt 6). So wird ua normiert, dass der Wert der den Arbeitnehmern vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten digitalen Arbeitsmittel sowie ein Homeoffice-Pauschale steuerfrei sind. Dieser „Wert“ und die Pauschale sollen ab demselben Zeitpunkt und bis zur selben Höhe der ausgenutzten Pauschale (max. € 300,00/Kalenderjahr) auch in der Sozialversicherung beitragsfrei gestellt werden.
5.2. Arbeitsunfall - § 175 Abs 1a und 1b ASVG
5.2.1. Die mit dem 3. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/23 im Frühjahr 2020 eingeführten Bestimmungen, wonach Unfälle, die sich im Homeoffice ereignen, als Arbeitsunfälle gelten, wurden nunmehr ins Dauerrecht übergeführt.
Damit erfolgt eine unfallversicherungsrechtliche Gleichbehandlung des Homeoffice mit der Beschäftigung in der Arbeits- oder Ausbildungsstätte.
5.2.2. Arbeitsunfälle sind damit auch Unfälle, die sich im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion am Aufenthaltsort der versicherten Person (Homeoffice) ereignen (§ 175 Abs 1a ASVG).
5.2.3. Im neu eingefügten § 175 Abs 1b ASVG wird eine Gleichstellung des Aufenthaltsortes der versicherten Person im Homeoffice mit der Arbeitsstätte getroffen. Damit werden nun auch Wegunfälle vom Homeoffice aus explizit erfasst.
Wie bei der Arbeitsleistung am Betriebsort sind jene Wege eines Arbeitnehmers geschützt, die zur Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse in der Nähe der Wohnung dienen. Folglich sind Einkäufe zum Mittagessen im Supermarkt oder der Besuch eines Gasthauses zum Mittagessen unfallversicherungsrechtlich auch geschützt, wenn diese vom Homeoffice aus angetreten werden. Nicht vom Schutzbereich der Norm sind – entsprechend der allgemeinen Regel – solche Unfälle umfasst, die sich erst nach Beendigung der Arbeit oder in den Arbeitspausen etwa bei der Erledigung des Tages- oder Wocheneinkaufs für die folgenden Tage ereignen. Dasselbe gilt für Wege zur oder von der Kinderbetreuungseinrichtung, Tagesbetreuung oder Schule.
5.2.4. Im Sozialversicherungsrecht für Beamte (Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz) wurden ebenfalls entsprechende Regelungen normiert.
6. Wichtigste Neuerungen im Einkommenssteuergesetz 1988 (EstG)
6.1. Homeoffice-Pauschale - § 26 Z 9 EStG
Digitale Arbeitsmittel, die der Arbeitgeber zur Verfügung stellt (zB Computer, Bildschirm, Tastatur, Drucker, Handy oder die dafür erforderliche Datenanbindung), sollen keinen steuerpflichtigen Sachbezug bei Arbeitnehmern darstellen[1] (§ 26 Z 9 EStG):
- Beträge, die der Arbeitgeber zur Abgeltung von Kosten aus der Homeoffice-Tätigkeit bezahlt, sollen für höchstens 100 Tage im Kalenderjahr iHv bis zu € 3,00/Homeoffice-Tag (= max. € 300,00/Kalenderjahr) im Wege einer Homeoffice-Pauschale steuerfrei ausbezahlt werden können (§ 26 Z 9 lit. a EStG).
- Eine die Obergrenze von € 300,00 im Kalenderjahr übersteigendes Homeoffice-Pauschale stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar (§ 26 Z 9 lit. b EStG).
- Leistet der Arbeitgeber weniger als € 3,00/Tag an Homeoffice-Pauschale, soll der Arbeitnehmer den Differenzbetrag zur Pauschale als Werbungskosten geltend machen können (§ 16 Abs. 1 Z 7a lit. b EStG).
6.2. Ergonomisch geeignetes Mobiliar - § 16 Abs. 1 Z 7a EStG
Arbeitnehmer sollen ergonomisch geeignetes Mobiliar bis zu einer Höhe von € 300,00/Kalenderjahr als Werbungskosten geltend machen können. Voraussetzung dafür ist, dass zumindest 26 Tage/Jahr ausschließlich im Homeoffice gearbeitet wurde.
6.3. Die Regelung soll bereits rückwirkend für Anschaffungen in dem Jahr 2020 bis zu einer Höhe von € 150,00 gelten. Für 2021 beträgt der Höchstbetrag € 300,00. Dieser vermindert sich um den Betrag, der im Kalenderjahr 2020 bereits berücksichtigt wurde. Sofern für das Jahr 2020 bereits ein Einkommensteuerbescheid vorliegt, soll die Beantragung von Werbungskosten gemäß § 16 Abs 1 Z 7a lit a EStG ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295 a BAO darstellen.
In den Kalenderjahren 2022 und 2023 beträgt der Höchstbetrag dann jeweils € 300,00.
6.4. Um zu gewährleisten, dass auch Anschaffungskosten, die den Höchstbetrag überschreiten, steuerlich wirksam bleiben, soll der Überschreitungsbetrag bis Ende 2023 als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Der Überschreitungsbetrag soll in das jeweils nächste Veranlagungsjahr vorgetragen werden können und innerhalb des für dieses Jahr geltenden Höchstbetrages absetzbar bleiben.
Beispiel: A wurde im Kalenderjahr 2022 an 100 Tagen für seinen Arbeitgeber im Homeoffice tätig. Er erhält von seinem Arbeitgeber € 200,00 Homeoffice-Pauschale. Darüber hinaus erwirbt er einen Computer um € 700,00, den er zu 60 % beruflich nutzt. A kann als Werbungskosten geltend machen: € 220,00 für das digitale Arbeitsmittel Computer (€ 420,00, das sind 60 % von € 700,00, abzüglich des Homeoffice-Pauschales von € 200,00). |
6.5. Die Regelungen steuerrechtlichen Regelungen sollen erstmalig für Homeoffice-Tage rückwirkend ab dem 01.01.2021 und für Lohnzahlungszeiträume ab dem 01.01.2021, anwendbar sein. Die Regelungen sind bis einschließlich 2023 befristet, um ihre Wirksamkeit evaluieren zu können.
[1] Dasselbe gilt auch für den Einkommensbegriff im Sozialversicherungsrecht